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Luce hatte nie darauf gedrängt, dass Mead sich ihr und Tommy anschloss, aber sie schien auch nie etwas dagegen zu haben. Jetzt, als sie viele Jahre später darüber nachsann, fragte Mead sich, ob Tommy nicht vielleicht ein unverzichtbarer Vermittler gewesen war – zwischen Luce und Mead, zwischen Luce und ihren Eltern. Tommy, immer ein Lachen parat, hatte eine charmant-flapsige Art, die ihm Aufnahme in diese kühle und verhaltene Familie gewährte. Er konnte sich ihnen gegenüber Freiheiten erlauben, die sie ansonsten nicht geduldet hätten. Er glättete ihre Kanten, durchstach ihre Schutzhüllen mit seiner Gutgelauntheit, seiner Wärme. Wenn er mit ihnen zusammen war, dann glaubten sie manchmal, seine Wärme sei auch ihre.
Mead und Tommy saßen noch in der Küche, lange nachdem alle anderen zu Bett gegangen waren, und redeten miteinander bis zum frühen Morgen. Er stellte ihr Fragen nach ihrem Leben. Anfangs fand sie seine beharrliche Neugier unhöflich und wusste nicht darauf zu reagieren. Zu reden, wirklich miteinander zu reden schien gegen ein ungeschriebenes Gesetz zu verstoßen. Doch Tommy bekam es aus ihr heraus – in wen Mead verliebt war, wie es war, die Jüngste zu sein, was sie später werden wollte. Mit ihm konnte sie über alles sprechen. Selbst über Luce.
Warum, fragte Mead sich, habe ich Luces Gemälde nie gesehen? Zum ersten Mal überlegte sie, wie es Luce bei den jährlichen Familienzusammenkünften ergangen sein mochte, bei denen nie ein Wort zum Thema Kunst, zu ihrer Karriere gefallen war. Dass Luces Privatleben nicht thematisiert wurde, war nicht überraschend. In ihrer Familie erzählten sie einander nichts Persönliches. Immer wie auf rohen Eiern, seufzte Mead, immer auf Armeslänge.
Doch jetzt wollte sie mehr über Luce wissen – was sie malte, warum sie nach San Francisco gezogen war. Wie kommt es, fragte Mead sich verblüfft, dass es solch eine Kluft zwischen uns gibt?