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Am Bahnhof herrschte Chaos, irgendwo waren Leitungen gerissen, und Züge fielen aus, Leute liefen schimpfend durch einander. Lynn stellte sich in die Schlange vor dem Informationsschalter – auf ihrem Gleis schien kein Zug mehr abzufahren. Vor ihr stand ein junger Mann, der Kaffee aus einem Pappbecher trank und ein angenehmes Aftershave benutzt hatte. Lynn atmete tief durch, sein Duft vermischt mit frischem Kaffee hatte etwas Beruhigendes, blendete die Hektik um sie herum für einen Moment aus. Sie musterte ihn verstohlen. Er trug eine dicke Winterjacke, darunter einen Kapuzensweater und hatte nachlässig einen groben Schal um den Hals gewickelt. Er sah aus wie jemand, der viel Sport machte. Lynn sann manchmal darüber nach, was die Menschen so machten, wenn sie nicht gerade in vollen Regionalzügen zur Arbeit fuhren. Ob sie alberne Geheimnisse hatten, wie einen Teddy im Bett oder Schlimmeres. Jonas hatte immer seinen alten Teddy im Bett, den er zur Einschulung bekommen hatte. Lynn ekelte sich vor dem abgewetzten Frotteetier. Als sie Jonas das erste Mal sah, hätte sie nicht gedacht, dass der Teddy doch zu ihm passte. Sie versuchte sich auszumalen, welches Geheimnis der Typ vor ihr haben könnte. Nach Teddy sah er nicht aus. Seine verwaschene Jeans gefiel ihr, sie saß gut. Nicht selbstverständlich, fand sie. Er hatte dunkles, mittelkurzes Haar, das er eitel zu pflegen schien. Es glänzte gesund.Sie stellte sich den Körper unter der dicken Winterjacke vor, ein geschmeidiger, trainierter Körper, erst beim Sport, dann beim Sex, definierte Oberarme und ein selbstbewusstes gerades Kreuz.
Lynn sah schnell woanders hin, um ihre irritierenden Gedanken zu stoppen, die nicht zu ihrer Stimmung, nicht zur Uhrzeit und nicht zu diesem grauen Morgen passten. Am allerwenigsten passten ihre Gedanken allerdings zu dem Blick, der sie traf, als Mr. Smart am Informationsschalter fertig war und dicht an ihr vorbei zum Ausgang ging. Sein Blick war verschlossen und undurchdringlich. An diesem Blick prallte alles ab.Er sah sie an und schien sie gar nicht zu bemerken. Er ist gar kein Mann, schoss ihr plötzlich durch den Kopf. Wow, dachte sie und stand da und starrte ihr hinterher, wie sie durch die Tür der Schalterhalle ging und in der Menschenmenge verschwand.